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"Ordnung und Disziplin halten, das kann jeder durchschnittlich Begabte - das Genie beherrscht auch das Chaos!"

Ganz ordentlich chaotisch

Die Nacht war lang, gestern. Länger als sonst. Ein Mann steht auf und sieht neben seinen Socken einen zusammengeknüllten Zettel. Er hat ihn in der Nacht in seinen Strumpf gesteckt. Das macht er bei eiligen Sachen. Er weiß: Wenn er die Strümpfe auszieht, dann wird der Zettel auf den Boden fallen und er wird ihn am nächsten Morgen sehen.

Checklisten, Wochen- und Tagespläne sind seine Sache nicht. Obwohl er für zwölf Kreuzfahrtschiffe mit einer Crew von 400 Leuten und für das Wohl von 1500 Touristen zuständig ist. Vom Gemüse bis zum Treibstoff, von der Zollgenehmigung bis zum Toilettenpapier, alles organisiert er auf Termin. Martin Ensle, dessen richtiger Name aus beruflichen Gründen verschwiegen wird, ist einer von vielen Kollegen und Vorgesetzten in Deutschland, die als Chaoten gelten: Sie jonglieren stets mit mehreren Projekten, ihre Schreibtische sehen so aus, als habe man den Papierkorb darauf ausgeleert. In ihrem Posteingang dümpeln 2600 E-Mails und mehr. Es sind diejenigen, die sich Zettel in Strümpfe stecken, auf denen steht: "12 000 Liter Öl bestellen!" Was bei dem gebürtigen Schwaben nicht funktioniert ist das klassische Zeitmanagement. "Das wurde von ordentlichen Menschen erfunden, die gern in einer aufgeräumten Umgebung leben, die genau wissen, welche Aufgaben sie zwischen 10 und 11 Uhr erledigen", erklärt Deutschlands bekanntester Zeitmanagement-Experte Lothar Seiwert. Es gibt eben auch andere wie Ensle, die mehrgleisig arbeiten, die sich nicht in ein Zeitkorsett pressen lassen und ihre Sachen trotzdem pünktlich erledigen. Wieso ist der eine so penibel und der andere so chaotisch? Dafür liefert die moderne Gehirnforschung einen interessanten Ansatz: Der ordentliche A-Typ wird von seiner linken Hirnhälfte beherrscht, die für Struktur, Folgerichtigkeit und Linearität zuständig ist. Er arbeitet seine Baustellen sukzessive ab, streicht alles säuberlich auf der Checkliste durch.

Für den spontanen B-Typ, also Ensle, wäre das ein Graus, weil er mehr von der rechten Hirnhälfte dominiert wird. Sie steht für Fantasie, Farbe und ganzheitliches Denken. "Da B-Typen stets mehrere Sachen am Laufen haben, spiegelt sich dieses Mehr auf ihrem Schreibtisch wider und in ihrer Denkweise", erklärt Seiwert. B-Typen findet man vor allem in kreativen Berufen oder dort, wo man viel improvisieren muss.

Das Telefon biept: Ein Ausflugsdampfer auf der Mosel hat vergessen, Regenschirme mitzunehmen. Jetzt schüttet´s - Ensle organisiert alles. Biep, biep. Das Bier droht auf einem anderen Schiff mit einem Kegelklub an Bord auszugehen. Es ist in Schwedt an der Oder. Im ostdeutschen Irgendwo. Der 43-Jährige findet eine Brauerei, die liefert. Doch inzwischen ist das Schiff fahrplanmäßig weiter gefahren. Keine Anlegestelle in der Nähe. Als die Kundschaft fast auf dem Trockenen sitzt, lässt Ensle einen Laster auf eine Brücke fahren. Der Fahrer seilt zehn Fass auf das nahende Schiff ab. "Egal wie, Hauptsache, die haben ihr Bier." Ein unkonventioneller Einfall - typisch für B-Typen. Unkonventionelle Ordnung auch. Auf Ensles Schreibtisch ragen Papiertürme, dazwischen verstreut Stifte, Lineale und Scheren. Ein Kollege kommt rein und möchte gern ein Formular für die Reservierung des Anlegeplatzes - Ensle wühlt und fischt ein verknicktes Papier heraus. Wie er das gefunden hat? "Keine Ahnung, ich weiß halt irgendwie, wo es liegt. Im unteren Drittel - verkehrt herum - und an der Ecke eingeknickt." Sein Super-GAU war der Tag als ein Kollege bei ihm aufräumte.

B-Typen haben eine intuitive Ordnung. Sie legen ihre Sachen dort ab, wo gerade Platz ist", erklärt Seiwert. Anders die A-Typen mit ihrer strukturierten Ordnung. Auf ihren Tischen liegt meist nur das, was sie gerade brauchen. B-Typen brauchen dagegen immer etwas zum Spielen. Er kennt Kreative, die sich selbst eine Pinnwand basteln und bunte Post-it-Zettel darauf verschieben. Auf denen stehen die Aufgaben, die sie - je nach Priorität - unten oder oben anordnen. Und die Prioritäten verschieben sich meist stündlich. Deshalb führen sie selten Kalender und tragen ungern Termine ein. Jeder Tag ist ein Abenteuer. Ein Minimum an Struktur geben sich manche B-Typen nur , solange sie ihnen Flexibilität erlaubt. Die einen organisieren sich mit farbigen Hängeregistraturen. Die anderen mit schönen Materialien, witzigen Zeitplanbüchern mit viel Platz für Notizen.

Biep, biep Ensles Organizer vibriert. Schon seit Stunden erinnert er ihn an die Lieferung des Spargels. Diese Aufgabe hat er morgens eingetippt, als ihm gerade mal in der U-Bahn langweilig war. Dass er sie aber gleich erledigen wird, bedeutet das lange nicht. Manchmal brummt es vier Stunden lang, alle zehn Minuten. In seltenen Fällen vergisst er auch was. "Nicht ohne Schuldgefühle", gibt er zu. "Man liefert mit dem, was für andere wie Chaos ausssieht, eher eine Angriffsfläche, wenn etwas schief läuft." Ein ordentlicher Kollege, so Ensle, würde vielleicht sagen: "Ich hatte viel zu tun und bin nicht dazu gekommen." Bei ihm selbst könnte man sich denken: "Kein Wunder,guck dir seinen Schreibtisch an."

Es gibt eben Volltischler und Leertischler, stellt Seiwert fest. "Keiner ist besser oder schlechter." Das Problem: Jeder meint, er habe den richtigen Arbeitsstil. Dabei könnten sich beide fantastisch ergänzen.

Wieder ein Biepen. Ensles Chef, der Reeder, ruft an. Er braucht dringend eine Telefonnummer. Sie liege in seinem Büro. Auf einen gelben Prospekt gekritzelt. Im Stapel rechts neben dem Computer. Neben den anderen Nummern. "Mit grünem Kuli." Ensle grinst. "Könnte von mir sein." Und macht sich auf die Suche. (von Susanne Rytina aus SONNTAG AKTUELL)

 

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